Die Tiefsee (>200m) stellt einen Lebensraum dar, der von niedrigen Temperaturen, vor allem aber von Dunkelheit geprägt ist In dieses Dunkel dringt kurzwelliges Rest-Sonnenlicht (bis 1.000m max.) und Biolumineszenz, welche von den meisten dort lebenden Tieren gebildet wird. Die visuellen Systeme von Krebsen, Kalmaren und Fischen zeigen eine Reihe von interessanten Anpassungen an dieses photische Umfeld. Diese betreffen nicht nur den Bau der Retina (nur Stäbchen), sondern haben auch zur Entwicklung von ungewöhnlichen Augenformen geführt.Dazu gehört die Ausbildung von „Teleskop“- oder Röhren-Augen, welche den Vorteil haben, bei großer Pupillenöffnung (zur Aufnahme möglichst vieler Photonen) das Volumen der Augen (und damit des Kopfes) zu minimieren, um damit den hydrodynamischen Widerstand beim Schwimmen zu verringern. Dieser Vorteil wird allerdings durch eine starke Verengung des Gesichtsfelds erkauft.Diese Einschränkung wird nun wieder durch verschiedene interessante „Gegenmaßnahmen“ kompensiert. Dabei zeigen vor allem zwei Familien von Tiefseefischen ein besonders reichhaltiges „Arsenal“ von evolutionären Strategien: Die Opisthoproctiden und die Aulopiformes.
Die Opisthoproctiden sind dabei besonders „erfindungsreich“. Viele von ihnen sind in der Lage, die Teleskopaugen senkrecht zu deren Längsachse um ca 90°zu rotieren und können so,- je nach Orientierung des Fischs,- nach vorn oder nach oben schauen. Noch interessanter ist ein zweiter „Ansatz“:
Seitlich vom Hauptauge besitzen einige Arten Aussackungen („Divertikel“), welche mit Retina ausgekleidet sind und nach unten (d.h. entgegensetzt zur Pupille des Hauptauges) eine durchsichtige „Cornea“ besitzen. Damit wird das Gesichtsfeld ganz wesentlich erweitert.Während bei einigen Spezies das Licht „von unten“ direkt auf die Retina des Nebenauges fällt, gibt es bei Dolichopteryx noch eine weitere „Komplikation“. Hier fällt das Licht zunächst auf eine Schicht von Guaninkristallen, welche wie ein Spiegel wirkt. Die Kristalle sind dabei so angeordnet, dass sie die Lichtstrahlen wie bei einer Fresnel-Linse auf die Retina des Nebenauges fokussieren.
Augen mit Spiegel-Optik waren bisher nur von verschiedenen Wirbellosen (Krebsen, Insekten) bekannt. Bei Wirbeltieren ist dies eine neuer und einzigartiger Befund. (Wagner et al., 2009: A novel vertebrate eye using both refractive and reflective optics. Current Biology, 19, 106-114).
Der andere Vertreter der hier vorgestellten Opisthoproctiden, Bathylychnops, hat keine beweglichen Augen,- jedoch mehrere Nebenaugen. Bei einem dieser Divertikel wird das Licht durch Brechung an einer Linse auf die Nebenretina fokussiert. Im Gegensatz zum Aufbau der typischen der Wirbeltier-Linse (also auch der im Teleskopauge) aus epitheloiden Linsenfasern geht die Linse im Nebenauge von Bathylychnops aus der Cornea hervor und besteht damit aus straffem Bindegewebe. Corneale Linse sind bei anderen Vertebraten unbekannt, kommen jedoch in den Kamera-Augen der Tintenfische vor.
Evermanella ist ein Vertreter der Aulopiformes und besitzt ebenfalls typische Teleskopaugen. Im Bereich des unteren Augenlids fällt bei bestimmter Beleuchtung ein auffällig reflektierender Fleck auf (blauer Pfeil). Richtet man einen grünen Laser auf diese Struktur, wird das Innere des Auges beleuchtet, vor allem die dorsale Nebenretina. Diese „optische Falte“ besteht aus ca 5µm dicken, alternierenden Schichten aus fibroblastischen Cytoplasma-Ausläufern und extrazellulärer Matrix aus Kollagenfasern, deren Dicke und Anordnung große Ähnlichkeit mit unserer Cornea aufweist. Die unterschiedlichen optischen Dichten der abwechselnden Schichten führen zu starker Lichtbrechung, die wahrscheinlich dazu führt, dass das Gesichtsfeld nach lateral erweitert wird. Diese Hypothese wird derzeit mit Modellrechnungen untersucht. (Wagner etal., 2019 Observations on the retina and ‘optical fold’ of a mesopelagic sabretooth fish, Evermanella balbo. Cell Tissue Res. doi.org/10.1007/s00441-019-03060-4)